Freitag, 6. September 2013

Ist Erfolg in der Chefetage männlich?

Um Frauen im Management in Führungspositionen zu bekommen wird die Frauenquote gebraucht. Foto: Gerd Altmann / Pixelio
Ist Erfolg männlich? Warum sind Frauen in Führungspositionen in Unternehmen und vielen anderen Organisationen unterrepräsentiert? Seit Jahren wird über das Missverhältnis zwischen dem Frauenanteil in der Bevölkerung und in Chefetagen diskutiert. Gerade Anfang März kündigte die EU-Justizkommissarin Viviane Reding einen Gesetzesvorschlag für den Sommer 2012 zur Einführung einer Frauenquote für die von Männern dominierten Führungsspitzen an. Das Fehlen von Frauen schade Europas Wettbewerbsfähigkeit und behindere das Wirtschaftswachstum. 

Eine solche Sichtweise hält der Betriebswirt und Diplom-Psychologe Prof. Dr. Jürgen Weibler, Inhaber des Lehrstuhls für BWL mit den Schwerpunkten Personalführung und Organisation an der FernUniversität Hagen, „zunächst einmal für zu einseitig". Grundsätzlich ist nach seiner Ansicht „eine Frauenquote im Management eine sinnvolle Überlegung, aber man muss auch die Gründe für dieses Frauendefizit in Führungspositionen angehen". Prof. Weiblers Aussagen basieren auf der Auswertung zahlreicher empirischer Untersuchungen zur Unterrepräsentanz von Frauen in Unternehmensführungen. Empirische Belege dafür, dass der Erfolg von Führungskräften von ihrem Geschlecht bzw. von „männlichen" oder „weiblichen" Führungsstilen abhängt - die sich unter den bestehenden Verhältnissen selten signifikant unterscheiden - fand er nicht. 

Die männliche Sicht der Welt als Standard 

Ein wesentlicher Grund für die geringe Frauenquote vor allem im Top-Management liegt für Weibler in der menschlichen Kulturgeschichte: „Viele Generationen lang haben Männer die Führungspositionen in der Wirtschaft besetzt und einen Standard für Deutungshoheit definiert, den wir heute verinnerlicht haben." So werden Führungspositionen bzw. die Erwartungen an Führungskräfte mit Aggressivität, Ehrgeiz, Energie, Entschlossenheit, Stärke etc. assoziiert. Also mit Begriffen, die auch typisch sind für Männer und deren Sicht von sich selbst. Jürgen Weibler: „Welcher Manager und auch welche Managerin würde sich dagegen mit ‚weiblich' belegten Eigenschaften beschreiben wie kinderlieb, fröhlich, leichtgläubig oder schüchtern?" Stattdessen wird von Frauen bei der Besetzung von Führungspositionen oftmals eine stärkere Ausbildung männlicher Eigenschaften erwartet als von den Männern selbst - und von Frauen als Leitbild übernommen, um sich konform zu verhalten. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sowohl Männer als auch Frauen sich überwiegend immer noch einen männlichen Vorgesetzten wünschen. Gleichzeitig sehen jedoch immer mehr Männer Frauen im Management positiv. 

Dabei ist es nebensächlich, ob die Stereotypen richtig sind, sondern es geht nur darum, dass sie tatsächlich bestehen. In diesem Sinn wird ein längeres Telefonat bei einem Manager für eine „telefonische Verhandlung", gehalten, bei einer Managerin für „Entspannung". Solche Stereotype helfen den Männern auch, ihre Vormachtposition nicht zu räumen, nur weil - objektiv gesehen - Frauen genauso gut sind. Für sie ist offensichtlich der Schritt vom mittleren in das Top-Management eine besonders große Hürde: Hier scheint eine unsichtbare Barriere zu bestehen, die momentan nur ganz wenige durchbrechen können („Glass Ceiling Effect"). 

Die Fremdheit zwischen „Sein" und „Schein" 

Weil die Erwartungen an Führungskräfte und deren Selbstbilder bei Frauen viel weniger übereinstimmen als bei Männern, müssen Managerinnen eine zusätzliche Diskrepanz zwischen „Sein" und „Schein" - dem eigenen Ich und der ihnen oft wesensfremden Rolle „harte Managerin" - überwinden. Weibler: „Viele können oder wollen dies nicht!" Dies mag einer der Gründe sein, warum weniger Frauen den gleichen Ehrgeiz wie Männer entwickeln. 

Empirisch signifikante Unterschiede zwischen den tatsächlichen Führungsstilen von Männern und Frauen fand Weibler in den Studien breitflächig nicht. Zu sehr sind Frauen, so seine Begründung, in ihrem Unternehmen von einem Geflecht aus Rollenerwartungen, Unternehmenskultur, Strukturen etc. umgeben, als dass sie einen wirklich individuellen Führungsstil entwickeln könnten. Und auch der Erfolg variiert im Prinzip nicht, aber eben auch nicht der Misserfolg. 

Einen wichtigen Trumpf kann „Frau" nach Weiblers Analysen aber auf jeden Fall ausspielen: „Zurzeit wird der ‚Transformationale Führungsstil' als besonders effektiv angesehen. Dabei werden u.a. die Beschäftigten als Persönlichkeiten mit individuellen Fähigkeiten und Bedürfnissen gesehen, auf die die Vorgesetzten auch unterschiedlich eingehen müssen. Weiblichen Führungskräften fällt das anscheinend etwas leichter als männlichen." Zudem belohnen sie stärker Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei einem konkreten Anlass, also kurzfristig nach einem Erfolg. Weibler: „Das motiviert viel stärker als ein Bonus, der erheblich später kommt." 

Bei Krisen Frauen bevorzugt 

Pikanterweise werden Frauen durchaus bevorzugt, wenn es gilt, eine konkrete Krisensituation zu meistern. Danach stehen sie unfreiwilig häufiger auf einer unsichtbaren Klippe, von der sie leicht abstürzen können („Glass Cliff Effect"). Scheitern Frauen bei dieser besonders riskanten Aufgabe, „bestätigen" sie die männlichen Vorurteile. Machen sie ihren Job gut, erfüllen sie lediglich die Erwartung an sie als gute „People Manager", empfehlen sich im Gegensatz zu männlichen Kollegen dadurch aber nicht automatisch für „toughe" Positionen im Top-Management. Gerade in gemischten Teams aus Männern und Frauen werden Erfolge der gesamten Gruppe vor allem den männlichen Mitgliedern zuerkannt. Dies kann an deren meist viel besserer Vernetzung und ihren typisch „männlichen Denkweisen" liegen. Außerdem sind Frauen in ihrem Außenauftritt weniger dominant. 

Weibliche Vorbilder notwendig 

Ob eine gesetzliche Frauenquote für Führungspositionen, gleich ob national oder EU-weit, das richtige Mittel ist, um lange zementierten Stereotypen entgegen zu wirken, ist für Prof. Weibler nicht einfach zu beantworten: „Es gibt auf jeden Fall gute ethische und auch demografische Gründe für eine Frauenquote. Aber es ist niemandem damit gedient, wenn überproportional häufig Fehlbesetzungen die Folge einer momentan noch zu geringen Auswahl sein sollten. Das hätte einen stark kontraproduktiven Effekt. Um mehr Frauen in zentralen Positionen zu bekommen schlägt er für den Normalfall eine „maßvolle Quote" für den Übergang vor, die sich bei der Besetzung von Führungspositionen als Leitidee am Frauenanteil der darunter liegenden Ebene orientiert: „Es muss auf den jeweils vorauslaufenden Stufen ja eine genügende Zahl von Frauen mit entsprechender Erfahrung und dem Willen weiterzugehen, geben." Wichtig ist ihm vor allem, „dass wir Vorbilder in allen zentralen gesellschaftlichen Positionen haben - nur dadurch können die vorherrschenden Stereotype aufgebrochen werden. Je mehr Vorbilder es gibt, desto schneller vollzieht sich diese Wandlung." 

Zu bedenken gibt er aber, dass mehr Gerechtigkeit gegenüber Frauen neue Ungerechtigkeiten zur Folge haben könnte: „Die Nichteinführung einer Quote würde die zweifellos vorhandene Ungerechtigkeit verlängern. Die Einführung dagegen würde diejenigen Männer benachteiligen, die trotz entsprechender Qualifikationen nicht zum Zuge kommen. Einen auf die einzelne Person bezogenen Gerechtigkeitsausgleich gibt es da leider in der Regel nicht - Man kann den Kuchen nicht gleichzeitig verspeisen und behalten!" (sfr/Bossemeyer - FernUniversität Hagen) 

Weitere Informationen: 

Eine ausführliche Darstellung zum Thema „Female Leadership: Wie Frauen führen" ist im Buch „Personalführung" von Prof. Jürgen Weibler enthalten, das im Februar 2012 beim Verlag Vahlen, München, in zweiter Auflage erschienen ist (Expl. 978-3-8006-4185-7, 751 Seiten).


Artikel erschienen am 14.03.2012 in Epoch Times Deutschland

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