Ammoniak sieht man nicht! Foto: Harry Hautumm/pixelio.de |
Autos mit 3-Wege-Kat sind längst nicht sauber wie bislang gedacht. Das zeigt eine Studie von Botanikern der Universität Bonn. Demnach pusten die „entgifteten“ Fahrzeuge große Mengen Ammoniak in die Luft – ein Gas, das beispielsweise bei der Viehhaltung entsteht und für den stechenden Geruch von Mist und Gülle verantwortlich ist. Dass Katalysatoren überhaupt nennenswerte Mengen Ammoniak produzieren, war bislang nahezu unbekannt.
Selbst Experten gingen davon aus, dass es sich dabei allenfalls um eine zu vernachlässigende Nebenreaktion handelt – eine Fehleinschätzung, wie die Messungen der Bonner Forscher und des TÜV zeigen. Gefahren für die Gesundheit gehen von den gemessenen Konzentrationen zwar nicht aus. In der Pflanzenwelt kann das Gas jedoch starke Schäden anrichten. Schon heute wachsen an viel befahrenen Straßen Moose und Flechten, die früher vorzugsweise an den Beton-Einfassungen von Misthaufen vorkamen. Andere Arten wurden dagegen weitgehend verdrängt.
Schon vor mehr als 10 Jahren war es den Botanikern komisch vorgekommen: Da wuchs plötzlich in Städten an Mauern und Bäumen ein Moos namens Orthotrichum diaphanum, das dort zuvor nie gefunden worden war. Typischerweise kommt es auf dem Land an den Beton-Einfassungen von Misthaufen vor. Dort enthält die Luft viel Ammoniak, und der dient dem Moos als Stickstoff-Quelle: Eine Art Dünger aus der Luft.
Flechten aus dem „Gülle-Gürtel“
Einige Jahre später breiteten sich in den Städten plötzlich Stickstoff-liebende Flechten-Arten wie die Gelbflechte aus. Auch diese Arten lieben eigentlich die Landluft: Normalerweise wachsen sie beispielsweise auf Dächern von Viehställen. „In den Städten gibt es aber keine Kühe und Schweine“, erklärt Professor Dr. Jan-Peter Frahm vom Bonner Nees-Institut für Biodiversität der Pflanzen. „Was bewog also die Flechten, in die Städte zu ziehen?“ Dass Ammoniak der Verantwortliche sein könnte, vermutete damals niemand – woher sollte er auch stammen? Außerdem wird die Ammoniak-Konzentrationen bei Schadstoffbestimmungen normalerweise nicht mit gemessen.
Noch undurchsichtiger wurde die Geschichte, als im Jahr 2000 der Monheimer Biologe Norbert Stapper feststellte, dass die Stickstoff-liebenden Flechtenarten besonders gerne an stark befahrenen Straßen wachsen – je stärker der Verkehr, desto besser. „Eigentlich gelten Flechten als Indikatoren für Luftgüte“, erklärt Frahm; „man sollte meinen, dass sie empfindlich auf die Auspuffgase reagieren.“
Ammoniak statt Saurer Regen
Die Frage nach dem Grund ließ Frahm keine Ruhe. Im vergangenen Sommer setzte er schließlich zwei Doktoranden auf das Thema an. Experimente und Literaturrecherchen lenkten den Verdacht schnell auf die Stickstoff-Quelle Ammoniak – eine Substanz, die im Autoabgas jedoch allenfalls in minimalen Konzentrationen vorkommen sollte. „Mit Unterstützung des TÜV in Bonn haben wir dann bei 30 Fahrzeugen mit Katalysator das Abgas untersucht“, erläutert Professor Frahm. Das Ergebnis überraschte selbst die Experten: „Alle Pkw pusteten Ammoniak in die Luft – und das in Konzentrationen, die man zum Teil bereits mit der Nase wahrnehmen konnte.“ Bis zu 25 ppm (parts per million) erreichten die Werte bereits im Leerlauf; bei höheren Drehzahlen stiegen sie gar auf das drei- bis zehnfache – die Grenze dessen, was das Messgerät nachweisen konnte.
Gefahr für die menschliche Gesundheit geht von den gemessenen Mengen dennoch nicht aus, da sich das Ammoniak-Gas schnell verdünnt. Gefährlicher ist da schon der „Düngeeffekt“ von Ammoniak: „Die Düngung ist so hoch, dass sie nur von wenigen Moos- und Flechtenarten toleriert wird“, betont Frahm. „Die anderen halten das gar nicht aus.“ Auch Blütenpflanzen, die Stickstoff anders als Moose und Flechten nicht aus der Luft aufnehmen, sind gefährdet: Ammoniak verbindet sich nämlich mit den Stickoxiden in der Luft zu Ammoniumnitrat – das ist der Dünger, den man in jedem Gartencenter kaufen kann. Mit dem Regen gelangt der Dünger dann in den Boden. Folge: Seltene Arten sterben aus und werden durch Stickstoff-Anzeiger wie Brennessel oder Brombeere ersetzt. „Anders als beim Sauren Regen sterben wegen des Ammoniaks keine Bäume“, sagt Frahm. Er fürchtet jedoch die schleichenden Veränderungen: „Das langfristige Resultat ist eine zunehmende Verarmung der Natur – wir leben bald in einer Gülle-Wüste.“ (sfr / Uni Bonn)
Selbst Experten gingen davon aus, dass es sich dabei allenfalls um eine zu vernachlässigende Nebenreaktion handelt – eine Fehleinschätzung, wie die Messungen der Bonner Forscher und des TÜV zeigen. Gefahren für die Gesundheit gehen von den gemessenen Konzentrationen zwar nicht aus. In der Pflanzenwelt kann das Gas jedoch starke Schäden anrichten. Schon heute wachsen an viel befahrenen Straßen Moose und Flechten, die früher vorzugsweise an den Beton-Einfassungen von Misthaufen vorkamen. Andere Arten wurden dagegen weitgehend verdrängt.
Schon vor mehr als 10 Jahren war es den Botanikern komisch vorgekommen: Da wuchs plötzlich in Städten an Mauern und Bäumen ein Moos namens Orthotrichum diaphanum, das dort zuvor nie gefunden worden war. Typischerweise kommt es auf dem Land an den Beton-Einfassungen von Misthaufen vor. Dort enthält die Luft viel Ammoniak, und der dient dem Moos als Stickstoff-Quelle: Eine Art Dünger aus der Luft.
Flechten aus dem „Gülle-Gürtel“
Einige Jahre später breiteten sich in den Städten plötzlich Stickstoff-liebende Flechten-Arten wie die Gelbflechte aus. Auch diese Arten lieben eigentlich die Landluft: Normalerweise wachsen sie beispielsweise auf Dächern von Viehställen. „In den Städten gibt es aber keine Kühe und Schweine“, erklärt Professor Dr. Jan-Peter Frahm vom Bonner Nees-Institut für Biodiversität der Pflanzen. „Was bewog also die Flechten, in die Städte zu ziehen?“ Dass Ammoniak der Verantwortliche sein könnte, vermutete damals niemand – woher sollte er auch stammen? Außerdem wird die Ammoniak-Konzentrationen bei Schadstoffbestimmungen normalerweise nicht mit gemessen.
Noch undurchsichtiger wurde die Geschichte, als im Jahr 2000 der Monheimer Biologe Norbert Stapper feststellte, dass die Stickstoff-liebenden Flechtenarten besonders gerne an stark befahrenen Straßen wachsen – je stärker der Verkehr, desto besser. „Eigentlich gelten Flechten als Indikatoren für Luftgüte“, erklärt Frahm; „man sollte meinen, dass sie empfindlich auf die Auspuffgase reagieren.“
Ammoniak statt Saurer Regen
Die Frage nach dem Grund ließ Frahm keine Ruhe. Im vergangenen Sommer setzte er schließlich zwei Doktoranden auf das Thema an. Experimente und Literaturrecherchen lenkten den Verdacht schnell auf die Stickstoff-Quelle Ammoniak – eine Substanz, die im Autoabgas jedoch allenfalls in minimalen Konzentrationen vorkommen sollte. „Mit Unterstützung des TÜV in Bonn haben wir dann bei 30 Fahrzeugen mit Katalysator das Abgas untersucht“, erläutert Professor Frahm. Das Ergebnis überraschte selbst die Experten: „Alle Pkw pusteten Ammoniak in die Luft – und das in Konzentrationen, die man zum Teil bereits mit der Nase wahrnehmen konnte.“ Bis zu 25 ppm (parts per million) erreichten die Werte bereits im Leerlauf; bei höheren Drehzahlen stiegen sie gar auf das drei- bis zehnfache – die Grenze dessen, was das Messgerät nachweisen konnte.
Gefahr für die menschliche Gesundheit geht von den gemessenen Mengen dennoch nicht aus, da sich das Ammoniak-Gas schnell verdünnt. Gefährlicher ist da schon der „Düngeeffekt“ von Ammoniak: „Die Düngung ist so hoch, dass sie nur von wenigen Moos- und Flechtenarten toleriert wird“, betont Frahm. „Die anderen halten das gar nicht aus.“ Auch Blütenpflanzen, die Stickstoff anders als Moose und Flechten nicht aus der Luft aufnehmen, sind gefährdet: Ammoniak verbindet sich nämlich mit den Stickoxiden in der Luft zu Ammoniumnitrat – das ist der Dünger, den man in jedem Gartencenter kaufen kann. Mit dem Regen gelangt der Dünger dann in den Boden. Folge: Seltene Arten sterben aus und werden durch Stickstoff-Anzeiger wie Brennessel oder Brombeere ersetzt. „Anders als beim Sauren Regen sterben wegen des Ammoniaks keine Bäume“, sagt Frahm. Er fürchtet jedoch die schleichenden Veränderungen: „Das langfristige Resultat ist eine zunehmende Verarmung der Natur – wir leben bald in einer Gülle-Wüste.“ (sfr / Uni Bonn)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen