Sonntag, 6. Oktober 2013

Haben Alm und Älpler Zukunft?

Alpaufzug zur Sennhütte Menigwald, Diemtigen BE.
Foto: Stefan Lauber/ WSL
Ob Alp oder Alm - Älpler oder Senner: Jahr für Jahr ziehen Tausende Älplerinnen und Älpler mit dem Vieh auf die Alp. Seit Jahrhunderten nutzen sie die hoch gelegenen Alpweiden, um 100‘000 Milchkühe, 35‘000 Mutterkühe, 180‘000 Rinder und 90‘000 Kälber sowie Schafe und Ziegen zu sömmern und hochwertige Produkte herzustellen. Dabei treffen Tradition und Moderne aufeinander, die Alpwirtschaft befindet sich in stetem Wandel.

In den Bergregionen weiden jeden Sommer 400‘000 Kühe, Rinder und Kälber, 210'000 Schafe sowie Pferde, Ziegen, Lamas und weitere Wiederkäuer. Das Gras der Alpen wird so zur Erzeugung von Milch, Käse und Fleisch genutzt. Die 4655 Quadratkilometer Sömmerungsweiden in den Alpen und im Jura entsprechen einem Drittel der landwirtschaftlich genutzten Fläche der Schweiz oder elf Prozent der Landesfläche. 7000 Alpbetriebe erwirtschaften dort jährlich 280 Millionen Franken. Das entspricht elf Prozent des Einkommens der Landwirtschaftsbetriebe, in den Bergregionen erreicht dieser Anteil ein Drittel. Zudem trägt die Alpwirtschaft zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität bei sowie zum Schutz vor Naturgefahren. Sie prägt die Landschaft im Alpenraum wesentlich mit und steigert deren Attraktivität für den Tourismus.

Biodiversität erhalten

"Schweizweit betrachtet hat die Nutzung der Alpen entgegen der landläufigen Wahrnehmung seit dem Jahr 2000 nicht abgenommen, regional gesehen, beispielsweise im Misox oder im Wallis, aber sehr wohl", erklärt WSL-Forscherin Rosa Böni. Welche Auswirkungen dies für die alpwirtschaftliche Nutzung und die Artenvielfalt hat, erklärt Gabriela Hofer von Agroscope. Ihr Team konnte zeigen, dass eine ungebremste Verwaldung der Alpweiden ab 2020 in manchen Regionen zu einem Rückgang der Artenvielfalt führen würde. Eine teilweise Verbuschung jedoch muss nicht in jedem Fall negativ sein: Mosaike von Zwergsträuchern und Alpweiden können ganz besonderen Tier- und Pflanzenarten wie zum Beispiel der Kleinen Sterndolde (Astrantia minor) Lebensraum bieten.

"Ein gewisser Grad an Verbuschung und Wiederbewaldung wird von der Gesellschaft nicht zwingend negativ bewertet", bilanziert WSL-Forscherin Irmi Seidl. Ihre Untersuchungen zeigen, dass die Alpwirtschaft die Balance zwischen Authentizität ("Unverfälschtheit") und Modernität immer wieder neu finden muss. Für die Zukunft der Alpwirtschaft ist es nämlich entscheidend, ob die Gesellschaft die dort geleistete Arbeit als wichtig und förderungswürdig einschätzt.

Älpler als Schlüsselfaktor

Aber auch die Wertesysteme der alpenden Bäuerinnen und Bauern sowie der Älplerinnen und Älpler bestimmen die Entwicklung des Sömmerungsgebietes mit: Die Tradition spielt eine grosse Rolle, wenn sich Landwirtschaftsbetriebe dafür entscheiden, ihre Tiere auf den Alpen zu sömmern.

Ist es heute noch zeitgemäss, im Sommer drei Monate lang auf einer Alp Kühe zu hüten? Die Ergebnisse einer Umfrage von Chiara Calabrese von Agroscope zeigen, dass gut ausgebildetes Alppersonal ein Schlüssel zum Erfolg einer Alpsaison ist und oft auch eine Sorge der Alpverantwortlichen. Die Wertschätzung für ihre Arbeit und eine minimale Infrastruktur auf der Alp wurden als die wichtigsten Faktoren genannt, um bewährtes Alppersonal zu halten und neue Älplerinnen und Älpler zu rekrutieren.

Ergebnisse von AlpFUTUR in der neuen Agrarpolitik

Die Viehsömmerung und die Arbeit in den Alpbetrieben prägen die Schweizer Kulturlandschaft – doch gehen immer weniger Tiere auf die Alp, wenn auch oft länger als früher. Manchenorts lohnt sich die Bewirtschaftung von weniger produktiven Alpweiden nicht mehr. Jedes Jahr werden so Sömmerungsweiden mit einer Fläche des Walensees (rund 2400 ha) zu Wald. Die neue Agrarpolitik, die am 1. Januar 2014 in Kraft tritt, hat die von AlpFUTUR aufgeworfenen Probleme der Unternutzung erkannt und erstmals Massnahmen zur Bekämpfung der aufkommenden Vergandung und Verbuschung getroffen. Die Herausforderung besteht darin, Bewährtes weiterhin zu ermöglichen und den gut funktionierenden Betrieben ihre Freiheiten zu lassen, gleichzeitig aber Fehlentwicklungen zu begegnen. (sfr/idw-online)


Das neue Buch zum Thema:

"Zukunft der Schweizer Alpwirtschaft. Fakten, Analysen und Denkanstösse aus dem Forschungsprogramm AlpFUTUR" – Neuerscheinung am 1. Oktober

Das Buch zum Forschungsprogramm zieht das Fazit aus AlpFUTUR. Es stellt den Stand des Wissens thematisch gegliedert und gut verständlich dar und gibt klar formulierte Empfehlungen ab. Es richtet sich an alle, die sich für die Alpwirtschaft und ihre Zukunft interessieren – sei es beruflich oder privat. Dem Buch sind die AlpFUTUR-Umsetzungsfilme "Von Älplern für Älpler" sowie der Dokumentarfilm "Sommerzeit" als DVD beigelegt. Die Veröffentlichung der französischen und italienischen Ausgabe ist für Frühsommer 2014 geplant. Das Buch kann bei der Eidg. Forschungsanstalt WSL für Fr. 30.- (zuzügl. Porto) bezogen werden.

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