Helene-Mayer-Sondermarke der Deutschen Post zur Olympiade 1972 in München |
Ein Jahr vor Beginn der Spiele von Berlin drohte den Nationalsozialisten wegen ihrer Rassenpolitik ein Olympia-Boykott der USA mit unabsehbaren Konsequenzen. Sie brauchten dringend eine Alibi-Jüdin im Olympiateam. Helene Mayer – wen sonst?
Groß, blonde Zöpfe, blauäugig, siegreich mit der Waffe. Helene Mayer, Olympiasiegerin im Florettfechten von 1928, war eine Erscheinung wie aus dem Musterkatalog für germanische Frauen. Die "blonde He", eine deutsche Volksheldin. In der 'Anhaltischen Rundschau' wurde der 17-Jährigen Olympiasiegerin von Amsterdam eine Ode gewidmet: "Und, denkt euch, sie trägt blonde Zöpfe! / Und schlingt darum ein weißes Band. / Ein blaues Aug, ein deutscher Schädel, / der Jugend Anmut im Gesicht / ein gut gewachsen rheinisch Mädel – / und ficht, als wie der Teufel ficht."
Deutscher Schädel, jüdischer Vater
Ein blaues Aug, ein deutscher Schädel – aber ein jüdischer Vater. Das perfekte Alibi der Nazis vor dem IOC und der Weltöffentlichkeit verkörperte auch die perfekte Widerlegung ihrer Rassenideologie. Nach Hitlers Machtergreifung 1933 wurde "die blonde Helena" von ihrem "Fechtclub Offenbach von 1863" ausgeschlossen. Die meisten deutschen Sportvereine hatten den im April ´33 von der NSDAP verabschiedeten Arierparagraphen umgehend übernommen, der Juden die Teilnahme am normalen Sportbetrieb unmöglich machte.
Beinahe gleichzeitig wurde ihr "aus rassischen Gründen" das Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes gestrichen, mit dem sie am renommierten Scripps College in Claremont, Kalifornien studierte, um sich auf den diplomatischen Dienst vorzubereiten. Amerikanische Förderer finanzierten ihr Studium weiter.
Zwei Jahre später erinnern sich die Nazis der verstoßenen Tochter, um ihr Propaganda-Instrument Olympia nicht zu gefährden. Reichssportführer von Tschammer und Osten fragt per Brief Ende September 1935 bei Helene Mayer an, ob sie an den Spielen von Berlin teilnehmen wolle. Eine Kopie des Briefes mit der Olympia-Einladung wird an den Wortführer der amerikanischen Boykott-Bewegung, das IOC-Mitglied Charles Sherrill, gesandt. Als Beweis der korrekten Behandlung jüdischer Sportler im Deutschen Reich.
Die Einladung rührte Ehrgeiz auf
In ihrer Antwort besteht Helene Mayer darauf, nur als "deutsche Staatsbürgerin" kämpfen zu können. Aus gutem Grund, denn knapp zwei Wochen vor ihrer Olympia-Einladung waren auf dem Reichsparteitag der NSDAP die "Nürnberger Gesetze" verabschiedet worden. Sie besiegelten die Ausschaltung der Juden aus allen öffentlichen Arbeitsverhältnissen, sowie ihre gesellschaftliche Isolierung.
Die Olympia-Einladung rührte in Helene Mayer Heimweh und Ehrgeiz auf. Doch erst nachdem ihre Mutter ihr in einem Telegramm mitteilte, dass sie ebenso wie ihre Brüder im Besitz der deutschen Staatsbürgerrechte sei, entschloss sie sich, in Berlin für Deutschland zu starten.
In Berlin musste die "Ehren-Arierin" das Gold einer Jüdin überlassen, der Ungarin Ilona Elek, weil sie ihr entscheidendes Gefecht gegen eine andere Jüdin, die Österreicherin Ellen Preis, verlor. Immerhin erhob sie bei der Siegerehrung im Stadion ihren Arm zum Hitlergruss. Das Protokoll der Propaganda trug ihr dennoch einen Empfang in der Reichskanzlei ein. Hitler pries sie als "beste und fairste Sportlerin der Welt".
Als sie ein Jahr später mit dem Weltmeistertitel aus Paris nach Hause kam, wurde ihr Erfolg totgeschwiegen. Die Florettfechterin Helene Mayer wurde aus dem Kollektiv-Gedächtnis der Nazis gelöscht. Sie kehrte nach Amerika zurück, schrieb Briefe voller Heimweh. Drei Jahre nach Kriegsende kehrte sie nach Deutschland zurück. Und hatte noch immer blonde Zöpfe. Im folgenden Jahr feierte Mayer in Paris den Sieg in der Weltmeisterschaft. Inzwischen wieder amerikanische Staatsbürgerin, kehrte Mayer in die USA zurück. Hier wurde sie mehrmals Landesmeisterin und war Dozentin am Mills College, später an der University of California in Berkeley. 1952 kehrte sie wieder nach Deutschland zurück. In München heiratete sie den Flugingenieur Erwin Falkner von Sonnenburg.
Am 15. Oktober 1953 starb sie an Brustkrebs. Sie ist auf dem Münchener Waldfriedhof beigesetzt. Der Helene-Mayer-Ring im Olympischen Dorf in München wurde 1972 anlässlich der Olympischen Spiele zu ihren Ehren benannt. (sfr/Prieser-dapd)
Artikel erschienen am 27.07.2011 in Epoch Times Deutschland
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