Warnstreiks im öffentlichen Dienst, Massenentlassungen bei Schlecker, Tarifverhandlungen bei den Fluglotsen - bei den aktuellen Auseinandersetzungen auf dem Arbeitsmarkt steht oft auch die Rolle der Gewerkschaften zur Diskussion. Immer mehr Arbeitnehmer sparen sich den Mitgliedsbeitrag, weil Löhne und Arbeitsbedingungen ohnehin für alle gelten. In den letzten 20 Jahren ist die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder um ein Drittel gesunken. Dabei bietet eine Mitgliedschaft mindestens einen deutlichen Vorteil: Gewerkschaftsmitglieder werden seltener gekündigt - und das wirkt sich auch positiv auf den Geldbeutel aus. Herausgefunden hat das Laszlo Goerke, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Trier und wirtschaftswissenschaftlicher Direktor des Trierer Instituts für Arbeitsrecht und Arbeitsbeziehungen in der Europäischen Gemeinschaft (IAAEG). Eine entsprechende Studie ist vor kurzem in der Fachzeitschrift Labour Economics erschienen.
Im Rahmen eines von der Fritz Thyssen Stiftung geförderten Forschungsprojekts zur Mitgliedschaft in Gewerkschaften wertet Goerke gemeinsam mit seinem Bielefelder Kollegen Prof. Dr. Markus Pannenberg über einen längeren Zeitraum hinweg das Sozioökonomische Panel (SOEP) aus. Darin werden die jährlich aktualisierten Antworten von 20.000 Deutschen auf 150 Fragen gesammelt, darunter zu Job, Einkommen und Mitgliedschaft in Gewerkschaften.
Eine entscheidende Erkenntnis der Auswertung: Die Wahrscheinlichkeit gekündigt zu werden ist für Nicht-Gewerkschaftsmitglieder im Durchschnitt um ein Drittel höher als für Mitglieder von Gewerkschaften. Bei Frauen und Industriearbeitern ist der Unterschied sogar noch deutlicher. Dabei haben die Wissenschaftler Einflussfaktoren wie den Kündigungsschutz von Gewerkschaftsmitgliedern oder die Dauer der Betriebszugehörigkeit bereits herausgerechnet.
Teure Trennung
Grund für die höhere Jobsicherheit für Gewerkschaftsmitglieder ist nach Ansicht der Forscher der Rechtsschutz, den Gewerkschaften ihren Mitgliedern bieten. „Im Falle einer Kündigung können sich Gewerkschaftsmitglieder von erfahrenen Anwälten vertreten lassen und erhalten so deutlich höhere Abfindungen. Für den Arbeitgeber ist es also teurer, sich von einem Gewerkschaftsmitglied zu trennen als von nicht organisiertem Personal", so Goerke.
Die höhere Jobsicherheit für Gewerkschaftsmitglieder bringt außerdem einen finanziellen Mehrwert: „Der - wenn auch nur vorübergehende - Verlust des Jobs kostet den Arbeitnehmer immer Geld. Wenn man das mit der geringeren Entlassungswahrscheinlichkeit gegen rechnet, sparen sich Gewerkschaftsmitglieder etwa ein Drittel des jährlichen Mitgliedsbeitrags", erklärt Goerke.
Allerdings beziehen sich die Erkenntnisse des Forschungsteams nur auf Einzelentlassungen, im Falle von betriebsbedingten Massenentlassungen - wie sie möglicherweise auch den Beschäftigten im Trierer Walzwerk bevorstehen - macht es nach Einschätzung von Goerke keinen Unterschied, ob man organisiert ist oder nicht.
„Einzelentlassungen kommen jedoch deutlich häufiger vor, sie fallen nur nicht so auf. Berichte über spektakuläre Massenentlassungen verzerren unsere Wahrnehmung."
Welchen zusätzlichen Nutzen eine Mitgliedschaft in Gewerkschaften neben der erhöhten Jobsicherheit und den damit zusammenhängenden finanziellen Vorteilen bringt, will Goerke gemeinsam mit seinem Kollegen nun durch weitere Auswertungen des soziökonomischen Panels herausfinden. (sfr/Kuntz - Universität Trier)
Artikel erschienen am 14.03.2012 in Epoch Times Deutschland
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