"Bei Mais etwa gibt es Gewebe, in denen fast ausschließlich zyklischer Elektronenfluss stattfindet. Daneben könnte man bei bestimmten einzelligen Grünalgen auch über die Manipulation des zyklischen Elektronentransports nachdenken, um die Produktion von Wasserstoff als erneuerbare Energieform zu verbessern", so Leister. Foto: GerdaB./Pixelio |
In einer kürzlich in der Fachzeitschrift "Trends in Genetics"
erschienenen Arbeit zeigt ein Team um Professor Dario Leister, Lehrstuhl
für Botanik der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, dass
durch Übernahme, Anpassung und Veränderung des genetischen Materials der
Organellen neue zelluläre Gene entstehen können.
Obwohl die betreffenden Zellbestandteile schon lange ihre genetische Unabhängigkeit verloren haben, erfüllen sie immer noch essentielle Aufgaben. Die Chloroplasten etwa betreiben Photosynthese, erzeugen also aus Sonnenlicht, Wasser und Kohlendioxid den Energieträger Zucker sowie Sauerstoff.
Ein internationales Forscherteam unter Leisters Leitung hat nun ein
zentrales Protein der Photosynthese identifiziert. Wie in der aktuellen
Ausgabe von "Cell" berichtet, handelt es sich bei PGRL1 vermutlich um
eine lang gesuchte, zentrale Komponente eines Multiproteinkomplexes, der
eine Variante des photosynthetischen Reaktionsprozesses, den zyklischen
Elektronentransport, ermöglicht und reguliert.
Die Zellen höherer Organismen enthalten als wichtige Bestandteile die Energie erzeugenden Mitochondrien; Algen und Pflanzen besitzen zusätzlich Plastiden, etwa die Chloroplasten. All diese Zellorganellen stammen von Einzellern ab, die von anderen Zellen aufgenommen wurden und Schritt für Schritt ihr genetisches Material, das Erbmolekül DNA, zu großen Teilen an den Wirt übergaben. Dieser Transfer geschah vor allem in der frühen Phase der gemeinsamen Evolution. Dabei wurden auch vollständige Gene übertragen, also für Proteine kodierende DNA-Abschnitte, und in das genetische Material des Wirts integriert. "Derartige Transfers kompletter Gene kommen jetzt aber kaum noch vor", berichtet Leister. "Trotzdem wird immer noch genetisches Material von den Plastiden und Mitochondrien übertragen - und zwar in überraschend großem Umfang. Weil diese DNA-Abschnitte ganz zufällig irgendwo im Erbmaterial des Wirts eingebaut werden, können dadurch auch potentiell schädliche Veränderungen auftreten. Wir haben nun untersucht, ob auf diesem Weg auch ein positiver Effekt durch die Entstehung neuer Gen-Abschnitte auftreten kann." Bislang war bekannt, dass neue Gene unter anderem durch eine Umverteilung genetischen Materials innerhalb des Zellkerns entstehen, etwa durch die Fusion oder Teilung bereits bestehender Gene, aber auch durch so genannte "mobile DNA-Elemente".
In ihrer Studie identifizierten die Forscher zunächst ehemalige
Organellen-DNA, die nun in oder neben den Genen ihrer Wirte - untersucht
wurden Mensch, Ackerschmalwand, Reis und Hefe - integriert sind. Dabei
fanden sich überraschend viele dieser kleinen DNA-Abschnitte, wobei
vermutlich noch sehr viel mehr dieser Sequenzen wegen ihrer geringen
Größe nicht mehr als solche identifiziert werden können. Dabei ist zu
beachten, dass sich die Gene höherer Organismen aus kodierenden Teilen,
den Exons, und nicht kodierenden Teilen, den Introns, zusammensetzen.
Für die Synthese eines Proteins wird zunächst eine Abschrift seines Gens
hergestellt, aus der dann die Introns entfernt werden. Letztlich
kodieren nur die übrig gebliebenen und dann wie Bausteine
zusammengesetzten Exons für das Protein. Der genetische Beitrag der
Organellen-DNA betrifft vor allem einzelne Exons - damit aber auch den
Aufbau des gesamten Gens sowie des dazugehörigen Proteins. "Es ist ein
bislang unbekannter Weg, wie neue Gene entstehen", sagt Leister. "Es
scheint, dass die Evolution wie ein Flickschuster arbeitet: Sie klaubt
sich die genetische Information wohl von überall her zusammen."
Photosynthese und Photosysteme
In einer weiteren Untersuchung widmete sich Leister der Photosynthese.
Von diesem außerordentlich wichtigen Prozess hängen alle Lebewesen - und
nicht zuletzt auch wir Menschen - ab. Die Photosysteme I und II, zwei
ausgedehnte Molekül-Komplexe in den Chloroplasten, absorbieren dabei
Energie aus dem Sonnenlicht, die letztlich für den Aufbau energiereicher
Kohlenhydrate genutzt wird. Dabei werden Elektronen in mehreren
Schritten über verschiedene Energieniveaus auf eine Kette von
Elektronenempfängern übertragen, wobei ATP entsteht, die universelle
Energiewährung der Zelle. Beim so genannten linearen Elektronenfluss
nehmen beide Photosysteme teil und die Elektronen landen schließlich
bei einem kleinen Trägermolekül, dem NADP. Beim zyklischen
Elektronenfluss dagegen ist nur das Photosystem I beteiligt, wobei dann
auch nur ATP erzeugt wird. Je nach Bedarf können die Pflanzen zwischen
den beiden Transportwegen umschalten, um das Verhältnis von ATP und
NADPH flexibel einzustellen.
Damit aber müssen Elektronen
zwischen den Photosystemen verteilt werden, um diesen Ausgleich zu
schaffen. "Man weiß noch nicht genau, wie der zyklische Elektronenfluss
genau funktioniert und reguliert wird", sagt Leister. "Anders als lange
vermutet, spielt er in höheren Pflanzen aber keine untergeordnete Rolle.
Er leistet unter bestimmten Bedingungen sogar einen erheblichen
Beitrag, etwa bei Stress durch Dürre oder starke Sonneneinstrahlung.
Aber auch zu Beginn jeder photosynthetischen Aktivität betreiben die
Pflanzen zyklischen Elektronenfluss." Bislang ist nur ein einziges für
diesen Reaktionsweg spezifisches Protein bekannt: PGR5. Dieses Protein
transportiert sehr wahrscheinlich aber nicht selbst Elektronen. "Wir
konnten jetzt aber einen neuen Mitspieler identifizieren, der deutliche
Hinweise liefert, wie der zyklische Elektronentransport funktioniert",
berichtet Leister. "Das Protein PGRL1 interagiert funktionell und auf
Protein-Ebene mit PGR5 sowie mit dem Photosystem I und weiteren zentralen
Komponenten des zyklischen Elektronentransports."
Das Protein
wurde in der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) gefunden. Ohne
PGRL1 ist der zyklische Elektronenfluss in den Pflanzen gestört, ähnlich
wie bei einem PGR5-Defizit. "Wir vermuten, dass der PGRL1-PGR5-Komplex
den zyklischen Elektronenfluss in höheren Pflanzen begünstigt, wenn
nicht sogar direkt vermittelt", meint Leister. "PGRL1 und PGR5 müssen
kooperieren und zusammen mit anderen Komponenten bilden sie wohl jene
lang gesuchte spezifische Komponente des zyklischen
Elektronentransports, die im wahrsten Sinne des Wortes den Kreis
schließt." Weitere Untersuchungen zur Regulation des zyklischen
Elektronentransports sollen nun die genaue Funktion des Komplexes
entschlüsseln. "Wir werden dabei auch Pflanzen einbeziehen, bei denen
dieser Reaktionsweg eine besonders wichtige Rolle spielt", so Leister.
"Bei Mais etwa gibt es Gewebe, in denen fast ausschließlich zyklischer
Elektronenfluss stattfindet. Daneben könnte man bei bestimmten
einzelligen Grünalgen auch über die Manipulation des zyklischen
Elektronentransports nachdenken, um die Produktion von Wasserstoff als
erneuerbare Energieform zu verbessern." (sfr/Ludwig-Maximilians-Universität München)
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